Dialog

MISSY UND DIE NACHHALTIGKEIT

Was hat der Klimawandel mit der rechtlosen Missy zu tun. Ein fiktives Huhn des Teams Carlos in der CIL in Frankfurt am Main und ihrer globalen MitspielerInnen in den Philippinen, in Kamerun, Costa Rica, Guatemala und in NYC. Um welches Huhn handelt es sich und was hat es mit den Sustainable Development Goals SDG (deutsch: Nachhaltig-keitsziele) zu tun? Ihr sagt „nicht mit den SDG“, wohl aber mit dem Klimawandel im Alltag? Ja, denn Missy kommt im Alltag bei unseren Großmüttern Kulturen übergreifend vor. Sie wird auch geschlachtet,  obwohl sie einen Namen hat und Großmutter kennt. Ja, das Leben von Missy sah zumindest so aus. In den industriellen Ökonomien hat sich das Leben von Missy erbärmlich geändert. Sie mutiert funktional zur Legestation, gemeinsam mit tausenden anderer  Legestationen ver-nutzter Leben. Im Wettbewerb um die Kunden geht es hier ausschließlich um das Produkt Ei. Das muss Premium sein. Das ist marktrelevant. Leben wird hunderttausendfach und undankbar vernutzt.

Was aber hat das alles mit dem Klimawandel zu tun? Kann sein: Nichts. Kann aber auch sein: Alles. Das hört sich blödsinnig an. Vielleicht, vielleicht aber auch nur, wenn wir unserem Denken eine allzu kurze Laufzeit gönnen..

Missy scharrt für die umfassende Konnotation des Klimawandels mit allem, was auf der Erde existiert und Anspruch auf Beziehung in Heimat hat.

Ja, das hört sich  verlockend an, aber wie kann es gelingen? Was meinen wir damit?

Wenn wir über den Klimawandel einen globalen Dialog versuchen, dann ist es zentral, diesen so zu führen, dass sich alle beteiligen können. Die digitale Kommunikation hilft weiter, bedarf dennoch des Gesprächs zwischen jenen, die vor Ort leben und eine gemeinsame Sprache sprechen. Dann muss das aufgeschrieben und manches Mal mehrmals übersetzt werden, bis alle das Geschriebene oder Vorgelesene verstehen. Das sind Sprachen des globalen Südens, Muttersprachen der Menschen vor Ort, der Armen in den Städten und Menschen auf dem Land.

An unserem Dialog nehmen also Menschen einander unverständlicher  Sprachen teil. Dass wir es dennoch verstehen, Interessen aneinander zu  finden, das ist ein Gewinn.  Am Schwersten, so schien es, gestaltete sich  der Dialog für das Team in Deutschland, in der Rhein-Main Region , zeitweise auch aus Sachsen und einer eigengegründeten generationenübergreifenden Gruppe Studierender in Hamburg.

Warum? Die DialogpartnerInnen aus dem globalen Süden sind ausnahmslos Angehörige  des Subsistenzsektors oder Gemeinwesenökonomien oder alternativer Ökonomien in der Stadt. Auf der Frage nach dem Klimawandel haben bereits alle unmittelbare Erfahrungen gesammelt. Von der Frauengruppe Balokawe in den Philippinen hat jede Familie bei dem großen Taifun Yolantha in 2013 ihr zuhause verloren. Die Landfrauen in Bomono, Kamerun klagen als Folge der Hitze über unerträgliche Erschwernisse bei der Landarbeit.

Anders  bei den GesprächspartnerInnen aus Deutschland. Zu dem Dialog wurden sie nach unterschiedlichen Alter und Geschlechtern, Berufen eingeladen. Eine Bedeutung als Gruppe hatte es bis dahin zwischen ihnen nicht gegeben. Niemand von ihnen hatte klimabedingte Verluste erlitten.

An welche globalen Vorarbeiten knüpfen unsere Gespräche an? Im Folgenden wollen wir nach der Reichweite eines  Experimentes bewusstseinsbildnerischen Tuns fahnden.

Die meisten dieser genannten Zielsetzungen wurden von ökumenischen Einrichtungen und non-profit Organisationen, auch in Kooperation mit staatlichen Strukturen, seit vielen Jahren in Projektarbeiten mit lokaler Bevölkerung angegangen und zu Teilen auch umgesetzt. Der Vorteil der SDG ist es, dass die einzelnen Bedarfe im miteinander verwobenen Kontext verstanden werden.

Nachteil ist es allerdings, dass der wirtschaftliche, als elementares Ziel globaler Entwicklung ressourcenverschlingend bleibt , und kein kritisches Bewusstsein  gegenüber neo-liberaler Wirtschaftsweise zum Ausdruck gebracht wird. Das Mühen um die einzelnen SDG gilt also im Rahmen des erweiterten und gegenwärtig existierenden Systems, das eben dafür gesorgt hat, dass der Globus in erhebliche Mitleidenschaft gezogen wurde. Und auch zukünftig in diesem Rahmen keine Genesung stattfinden kann.

Die Nachhaltigkeitsziele für die „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen 2015

„Wenn wir unsere Ambitionen (gemeint sind die Nachhaltigkeitsziele)  in allen Bereichen der Agenda verwirklichen können, wird sich das Leben aller Menschen grundlegend verbessern und eine Transformation der Welt zum Besseren stattfinden.“ (aus der Präampel der Agenda 2030, UN-2015 )

Wenn dieses der Fall wäre, dann wird sich das Leben … verbessern;  die Illusion ist trügerisch.  Richtiger muss  es heißen, dass  eine Transformation zum Besseren  dann stattfinden kann, wenn das Schaffen der Nachhaltigkeitsziele mit übergreifenden  neuen Strukturen verbunden ist. Das

beim Laufe des Prozesses Menschenrechte ernst zu nehmen und Grundbedürfnisse auf dem Globus zu respektieren sind. Dass dieser Respekt den sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen der Schöpfung meint und neue Erfindungen daran orientiert sind.

Postwachsums-Gesellschaften

Hierbei geht es um eine Qualitätssteigerung der Lebensweise auf dem Globus. Kein Wachstum bedeutet eine neue Art der Weltbetrachtung und Lebensführung mit veränderter Arbeitsweise und Konsum. Im Gegensatz zu dem gegenwärtigen Angebot billiger Waren als Initial einer Wegwerfkultur steigt der Anteil des  Gebrauchswertes einer Ware erneut.

Buen vivir

PostWachstum bedeutet daher nicht Mangel, wohl aber Gutes Leben. Das ist zu erklären. Wir müssen darauf hinweisen, dass ein nicht an privaten Profiten orientiertes Wachsen einer Wirtschaft das Leben verbessern wird. Wer das verstehen möchte, den laden wir beispielsweise zu einem Ausflug zu den Franziskanern auf den Frauenberg nach Fulda ein. Ja, ausgerechnet zu den Franziskanern ein Postwachstumsausflug? Wir besuchen das Bildungshaus und lernen Arbeitsräume und Gästezimmer kennen. Die Ausstattung ist jetzt wenige Jahre alt, aber wir können auch in 20 oder 30 Jahren wiederkommen. Diese Ausstattung ist nachhaltig und sehr schön.

Gegenwärtig ist eine derartige Inneneinrichtung zu teuer, unbezahlbar für sehr viele Menschen. Langfristig ist diese Einrichtung preiswert. Sie hält über mehrere Generationen von Billigwaren stand. Ja, das ist nachhaltig, muss aber auch gewollt sein. „Immer das Gleiche“ in die Gestaltung des Geschmacks von Massen ist viel investiert worden. Der Verlust der Wertschätzung prägt ganze Generationen. Das bedarf der Geduld, keines Hochmuts, Einladung zum Erfreuen und die Erfahrung des Vertrautwerdens von Gegenständen. Das ist Nachhaltigkeit.

Post-Wachstum ist daher kein Ende des Produktiven, wohl aber ein Ende der vom Gebrauchswert abgelösten Tauschwert Konsumtion. Wie aber wird es möglich sein, den sozialen und infrastrukturell notwendigen Mehrwert von einer Gebrauchswert orientierten Ökonomie zu generieren?